Sechster Bericht zur statistischen Erhebung von Versuchstieren

Am 30.09.2010 hat die EU-Kommission dem Rat und dem EU-Parlament den “Sechsten Bericht über die statistischen Angaben zur Anzahl der in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union für Versuchs- und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere” vorgelegt.
Dieser basiert auf den statistischen Daten des Jahres 2008, welche die 27 EU-Mitgliedstaaten gemeldet haben.

Bei den folgenden Vergleichen der Daten aus dem sechsten Bericht mit denen aus dem vorhergehenden fünften Bericht ist zu berücksichtigen, dass der fünfte Bericht lediglich die Daten von 25 EU-Mitgliedstaaten enthält, da Rumänien und Bulgarien erst seit 2007 Mitglieder der Union sind. Da die Anzahl der in Rumänien und Bulgarien verbrauchten Versuchstiere unter 1 % des Gesamtverbrauches liegt, lassen sich durchaus aussagekräftige Vergleiche machen.

Alle Daten wurden in der schon Ende 1997 vereinbarten einheitlichen Form– in acht harmonisierten Tabellen – abgeliefert – laut Bericht auch „von ausreichender Güte“. Allein Frankreich schaffte es schon wieder nicht (wie schon für den ersten, zweiten, vierten und fünften Bericht) die erforderlichen Daten aus dem Jahre 2008 zu melden, sondern übermittelte einfach die aus dem Jahre 2007. (Wieso die Kommission dies ohne jeglichen Kommentar immer wieder hinnimmt, bleibt erstaunlich.)

Im Jahre 2008 wurden in den 27 EU-Mitgliedstaaten 12.001.022 lebende Tiere zu Experimenten und Tests, die mit Leiden, Schmerzen, Ängsten oder dauerhaften Schäden verbunden waren, herangezogen – das sind um 116.561 Tiere weniger als 2005.

Frankreich nimmt mit 2.328.380 (vorher: 2.325.398) Tieren abermals die traurige Millionen-Spitzenstellung beim Verbrauch von Versuchstieren ein. An zweiter Stelle folgt abermals das Vereinigte Königreich mit 2.266.884 (vorher: 1.874.207) und Deutschland abermals an dritter Stelle mit 2.021.782 (vorher: 1.822.424) Versuchstieren. In allen drei Ländern ist die Anzahl der verbrauchten Versuchstiere – teils enorm – gestiegen.

Danach folgen in absteigender Reihenfolge:

4. Spanien (897.859; vorher: 595.597)
5. Italien (864.318; vorher: 896.966)
6. Belgien (725.370; vorher: 718.976)
7. Niederlande (501.056; vorher: 531.199)
8. Schweden (484.604; vorher: 505.681)
9. Ungarn (304.922; vorher: 297.209)
10. Tschechien (300.713; vorher: 330.933)
11. Dänemark (297.568; vorher: 365.940)
12. Polen (275.888; vorher: 358.829)
13. Österreich (220.456; vorher: 167.312)
14. Finnland (138.600; vorher: 256.826)
15. Irland (112.835; vorher: 37.940)
16. Rumänien (60.186; erst seit 2007 bei der EU)
17. Portugal (50.888; vorher: 41.621)
18. Estland (34.794; vorher: 4.900
19. Bulgarien (32.581; erst seit 2007 bei der EU)
20. Griechenland (28.021; vorher: 926.092)
21. Slowakei (19.260; vorher: 23.369)
22. Slowenien (12.438; vorher: 11.991)
23. Lettland (9.399; vorher: 13.319)
24. Litauen (5.582; vorher: 5.767)
25. Luxemburg (3.830; vorher: 4.120)
26. Zypern (2.114; vorher: 967)
27. Malta (694; vorher: hatte als einziges EU-Land keine Tierversuche durchgeführt)

Im Vergleich zum vorigen Bericht sind hinsichtlich der Reihung der Länder nach der Anzahl der verbrauchten Versuchstiere kaum wesentliche Verschiebungen auszumachen.
Allein bei Griechenland fällt auf, dass es hier zu einer erstaunlichen Reduzierung der Tierversuche von fast einer Million (!) Versuchstieren auf rund 28.000 Tiere gekommen ist. Diese große Schwankung ist vor allem auf Tierversuche mit Fischen zurückzuführen:
Im Jahre 2008 wurden an „lediglich“ 1.200 Fischen (biologische Grundlagenforschung in Hinblick auf menschliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen und menschliche Nervenleiden und Geisteskrankheiten) Experimente durchgeführt.
Im Jahre 2005 (fünfter Bericht) wurden fast eine Million (!) Fische, exakt 901.300, verbraucht. Die meisten zur Forschung und Entwicklung von Produkten und Geräten der Human-, Zahn- und Veterinärmedizin und in Hinblick auf tierische Krankheiten.

Anzahl der verwendeten Tiere nach ihrer Art

Bei den verwendeten Tierarten stellen die Mäuse mit mehr als der Hälfte (59%, das sind 7.122.188 Tiere) von der Gesamtzahl nach wie vor die größte Gruppe dar.
Wie schon zuvor rangieren Ratten mit 2.121.727 an zweiter und Fische mit 1.087.155 an dritter Stelle.

Dann folgen in absteigender Reihenfolge:
“Andere Vögel” (z.B. Zebrafinken, Sittiche, Papageien: 754.485),
Kaninchen (333.213),
Meerschweinchen (220.985),
Schweine (92.813),
Amphibien (61.789),
“Andere Nager” (z.B. Biber, Ziesel, Springmäuse: 39.506),
Rinder (33.952),
Hamster (32.739),
Schafe (30.190),
Hunde (21.315),
Wachteln (9.626),
Affen (9.569; davon Halbaffen: 1.261, Neuweltaffen: 904, Altweltaffen: 7.404, Menschenaffen: 0),
Pferde, Esel und Kreuzungen (5.976),
“Andere Säugetiere” (z.B. Fledermäuse, Lamas, Rothirsche, Maulwürfe: 5.704),
Reptilien (4.101),
Ziegen (3.840),
Katzen (4.088),
Frettchen (3.208),
“Andere Fleischfresser” (z.B. Füchse, Dachse, Robben. Otter, Iltisse: 2.853).

Gegenüber dem Vorbericht sind keine auffälligen Verschiebungen auszumachen.
Einzig erfreulich ist, dass – wie schon im Jahre 2002 und auch 2005 – keine Menschenaffen zu Versuchen herangezogen wurden.

Anzahl der verwendeten Tiere nach ihrer Herkunft

Seltsamerweise wird (wie schon bei den vorhergehenden Berichten) die Herkunft der Versuchstiere und die Anzahl der erneut verwendeten Tiere nicht von allen 12.001.022 Tieren erfasst, sondern lediglich von Affen, Frettchen, Hamstern, Hunden, Kaninchen, Katzen, Mäusen, Meerschweinchen, Ratten und Wachteln, die insgesamt 9.878.658 Tiere ausmachen. Die Beschränkung auf diese Tierarten stellt eine völlig willkürliche Auswahl dar und führt bloß dazu, die tatsächliche Situation zu verschleiern. Denn so fehlen von über 2 Millionen Tieren, genau von 2.122.364, die Herkunfts- und Wiederverwendungsangaben (nämlich von den “Anderen Nagern”, “Anderen Fleischfressern”, Pferden, Schweinen, Ziegen, Schafen, Rindern, “Anderen Säugetieren”, “Anderen Vögel”, Reptilien, Amphibien und sogar von den über einer Million Fischen).

Von den – wie oben angeführt – willkürlich ausgewählten 9.878.658 Tieren kommen über 8 Millionen Tiere (8.335.159) aus registrierten Zucht- und Liefereinrichtungen des berichterstattenden EU-Landes. Über 1,3 Million Tiere (1.313.040) kommen zwar aus einem Land der EU, aber aus keinen registrierten Einrichtungen.

Von den oben angeführten willkürlich ausgewählten Tierarten wurden 31.088 Versuchstiere erneut für einen Versuch verwendet.

Anzahl der verwendeten Tiere nach dem Versuchszweck

Unter dem Gesichtspunkt des Versuchszweckes nimmt die Biologische Grundlagenforschung nach wie vor mit rund 38 % (vorher: 33%; von 4.035.470 auf 4.575.054 Tiere) den größten Bereich ein.
Es folgt mit fast 23 % die Gruppe der 2.733.706 Versuchstiere (vorher: 3.746.028), die zur Forschung und Entwicklung von Produkten und Geräten der Human-, Zahn- und Veterinärmedizin eingesetzt wurde.
Für die Produktion und Qualitätskontrolle von Produkten für die Human-, Zahn- und Veterinärmedizin wurden 1.311.532 Tiere, das sind fast 15 %, eingesetzt.
Für die Aus- und Fortbildung wurden 1,7 % (vorher: 1,6 %) und für
die Diagnose von Krankheiten wurden 1,6 % (vorher: rund 2 %), verwendet.

Anzahl der verwendeten Tiere für toxikologische und sonstige Unbedenklichkeitsprüfungen

Insgesamt wurden an 1.042.153 Tieren, das sind 8,7 %, (vorher an rund 8 % mit 1.026.286 Tieren), die äußerst schwer belastenden toxikologischen und sonstigen Unbedenklichkeitsprüfungen durchgeführt (z.B. akute und subakute (fast 50 %), chronische und subchronische Giftigkeitsprüfungen, Haut- und Augenreizungstests, Mutagenitätstests etc.), davon, wie schon vorher auch, hauptsächlich für Produkte/Substanzen und Geräte der Zahn-, Human- und Veterinärmedizin.
Zur Prüfung von Kosmetika wurden an 1.967 Tieren (vorher: 5.571) toxikologische Tests durchgeführt. Speziell wurden die meisten Tiere zu LD50- bzw. LC50-Tests (822) und Hautsensibilisierungstests (699) herangezogen.
Die meisten toxikologischen und sonstigen Unbedenklichkeitstests basierten auf gesetzlichen Vorgaben. Doch an 157.893 Tieren, das sind 15 %, (vorher an 5 % mit 89.417 Tieren) wurden Giftigkeitstests ohne gesetzlicher Vorschrift durchgeführt. Eine äußerst besorgniserregende Tendenz.

Anzahl der verwendeten Tiere im Zusammenhang mit Krankheiten von Mensch und Tier

Hierfür wurden insgesamt 6.322.457 Tiere (vorher: 6.969.550) eingesetzt, davon
22,6 %, das sind 1.430.085 (vorher: 1.510.548) für Nervenleiden und Geisteskrankheiten des Menschen,
13,5 %, das sind 855.204 (vorher: 889.311) für Krebserkrankungen beim Menschen und
9,7 %, das sind 614.000 Tiere, um die Hälfte weniger (vorher: 1.329.247), für spezielle Tierkrankheiten (z.B. BSE, Vogelgrippe),
6,4 %, das sind 404.341 (vorher: 17.377) für Herz-Kreislauf-Erkrankungen des Menschen.
Die höchste Anzahl der verwendeten Tiere, nämlich, 3.018.516 Tiere, das sind 47,8 % (vorher: 2.823.067 Tiere) findet sich in der Rubrik für “Sonstige Krankheiten des Menschen”. Im Sinne einer verbesserten Aussagekraft der Statistik wäre es erforderlich und endlich angebracht diese Rubrik weiter nach Krankheiten (etwa nach Diabetes, Allergien etc.) zu differenzieren.
Generell macht die Statistik überhaupt nur dann Sinn, wenn weiterhin an der Qualität des Datenmaterials gearbeitet wird. Sie soll einen qualitativ aussagekräftigen Datenpool bieten, um etwa Entwicklungstendenzen zu erkennen, denen mit konsequenten Arbeitsschritten, die endlich zu der gesetzlich geforderten Reduzierung der Tierversuche führen, begegnet werden.

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