Mischlinge aus Wolf und Hund sind gefragt. Eine gefährliche Mode
D ie wichtigste Warnung vor lebensgefährlichen Risiken und Gefahren bei Wölfen lässt sich am besten am Zebra erklären. Zwar ist das Zebra dekorativ, es spielt bei berühmten spanischen Designermöbeln als Fellbezug für Polstermöbel eine Rolle – und es kann in der Sportlichkeit mit Rennpferden mithalten. Aber geritten hat es noch niemand. Sein Eigensinn lässt sich nicht mit Dressur beibiegen. Sein Selbstbewusstsein schließt jede gemeinsame Sache mit Menschen aus. Zebras sind scheu und bissig wie Wölfe. Wie Zebras sind auch Wölfe nicht domestizierbar – die Wildnis ist im Erbgut verankert.
Echte Wölfe waren dem Menschen über Jahrhunderte so nah wie Figuren aus “Grimms Märchen”. Jetzt kehren sie zurück in die Wälder im Osten Deutschlands und – sie rücken uns als modische Haustiere auf den Pelz, mit Stammplatz auf der Couch. Während Dutzende Wölfe inzwischen durch die Lausitz streifen, ist es der Reiz des Wilden, des Originalen und manchmal auch der Reiz der Gefahr, der unbedarfte Hundehalter fasziniert. Es gibt kein gänsehauthaltigeres Zuchtangebot auf dem Markt als Hunde, die ein gut Teil Wolf in sich haben. Oder Wölfe, die mit ein bisschen Hundegenetik besänftigt sein sollen. “Anfang der Neunziger gab es einen Höhepunkt bei der Wolfs-Mix-Nachfrage. Danach ebbte das ab. Jetzt ist sie wieder stärker denn je”, sagt Michael Eichhorn, ein Hundeexperte. Eichhorn hat in Verhaltensstudien Wölfe und Wolfsmischlinge erforscht und beschrieben. Er züchtet in der Pfalz die einzige Hunderasse mit hoch dosiertem Einschlag aus der Wildnis, die in Deutschland legal ist: den Tschechoslowakischen Wolfshund. Der Züchter und Hundetrainer sieht sich mehr und mehr “Individualisten” gegenüber, die ihm erklären, “nicht in den Retriever-Topf geworfen werden zu wollen”. Leute, die es nach hochprozentigem Wolfsblut im Haushund dürstet.
Der erste Tschechoslowakische Wolfshund wurde 1955 geboren – in den Kasernen der tschechischen Armee. Die Grenzsoldaten brauchten einen Hund, der stramm und folgsam an der Leine hing wie der Deutsche Schäferhund. Aber dazu so instinktsicher und ausdauernd wie der Wolf. Der “Tscheche” ist das Ergebnis einer Kreuzung aus Karpatenwolf und Deutschem Schäferhund. In seiner Ahnentafel findet sich der letzte Wolf Anfang der 80er-Jahre. Obwohl nur wenige Generationen vom wilden Urahn entfernt, sei vielen inzwischen sogar der Tschechoslowakische Wolfshund zu sehr auf den “Hund” gekommen, sagt Eichhorn. Und so streunen seit einigen Jahren Wolfsmischlinge durch den grauen, illegalen Markt in Deutschland. Die Halbwölfe sind kaum menschenverträglich, ängstlich im Umgang, aggressiv gegenüber anderen Hunden. Viele dieser Tiere kommen aus den USA. Dort dürfen sie legal gezüchtet werden. Bis zu 3000 Euro werde für einen solchen Mischling bezahlt, zum Beispiel einem Mix zwischen Husky und Wolf, “je mehr Wildblut, desto teurer das Tier”, sagt Eichhorn. Als Welpen seien die Tiere noch unkompliziert. Die Probleme fangen mit vier Jahren an, wenn die Mischlinge geschlechtsreif werden.
Schöne, scheue Hunde sind es meistens, die Eichhorn dann zum Training gegeben werden. Die Besitzer sind regelmäßig mit den Halbwölfen überfordert. Viele der Verhaltensauffälligkeiten kennt Eichhorn längst. Anfang des Jahres zog er selbst einen Wurf Wölfe auf – parallel zu einigen Hundewelpen. Die Unterschiede haben sogar ihn überrascht: einerseits freundlich schwanzwedelnde Draufgänger – daneben ängstliche, aggressive Wolfsjunge, unzähmbar, ungelehrig und so familientauglich wie Coyoten. “Drei Dinge, die man wissen muss: Ein Wolf wird niemals stubenrein. Ein Wolf lässt sich nicht einsperren, und ein Wolf wird niemals einem Menschen gehorchen”, sagt Köhler. Wölfe wie Wolfsmischlinge, auch wenn sie Erfahrung mit Menschen haben, sind gefährlich – so fiel der Wolfshund von Dieter Thomas Heck einen Freund des Moderators an. Der Mann ist lebenslang behindert.
Die Halbwölfe sind nicht das einzige Beispiel dafür, wie mehr und mehr Tierhalter in Deutschland sich Wildtierromantik ins Haus holen wollen. “Der Trend geht auch bei Katzen zum Wildnis-Mix”, sagt der Verhaltensforscher Dennis Turner. Eine Mode, die “verboten gehört”. Liebhaber zahlen bis zu 12 000 Euro für eine Bengal- oder eine Savannen-Katze. Je mehr Steppe im Blut, desto teurer das Tier. “Ethisch sind solche Kreuzungen nicht vertretbar”, sagt Turner, der in der Schweiz ein Institut für Haustierpsychologie leitet. “Weder Mensch noch Tier haben etwas davon.”
Wie weit sich Wolf und Hund in Jahrtausenden voneinander entfernt haben, zeigt auch die direkte Konfrontation: eine Eskalationskette, die meist darin gipfelt, dass sich der Wolf aus dem Staub macht. Das Nichtverhältnis beginnt mit der Kommunikation. “Ein Wolf verständigt sich mit über 60 verschiedenen Mienen”, sagt Dorit Feddersen-Petersen, Verhaltensforscherin am Kieler Institut für Haustierkunde, “der Schoßhund hat nur noch vier bis fünf. Stattdessen hat er sich darauf verlegt, sich über Laute zu verständigen” – die der Wolf weder versteht noch beherrscht. Wölfen lassen sich solche Fähigkeiten nicht antrainieren – wie Versuche der Universität Budapest ergaben. Dort lockten volle Fressnäpfe, zu denen der Weg aber nur über den Menschen führte. Auch nach Wochen war bei den Wölfen der Groschen nicht gefallen, während die Hunde fressgierig auf ihre Halter fixiert waren: “Die Wölfe verstehen den Menschen nicht als Schlüssel zum Futter”, schreiben die Forscher. “Sie sehen nur das Fleisch.”
http://www.welt.de/print/wams/lifestyle/article11263559/Nur-Nr-3-duerfen-Sie-streicheln.html
28.11.2010
Aufrufe: 162